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Schon lange habe ich nicht mehr über Zen geschrieben, ganz einfach; es geschah nichts besonderes, das Leben dümpelte einfach so dahin, ich meditierte regelmässig und meinte, dass alles so laufe wie es sein soll. Die Themen haben sich irgendwann erschöpft und über vieles habe ich bereits geschrieben, auch über das älter werden. Hier; „alle wollen älter werden, aber keiner will alt sein“
Vor drei Jahren musste meine Mutter, 88 Jahre alt, ins Altersheim und durfte vor drei Tagen friedlich einschlafen. Meine Mutter hatte ein schweres Leben, mit viel Arbeit und vielen Ungerechtigkeiten, die sie nicht vergessen konnte. Sie wuchs in einem Kinderheim auf und erlebte auch da viele Ungerechtigkeiten. Sie war ein wehrhafter und oft auch rachsüchtiger Mensch, sie gab alles zurück, im Guten wie im Bösen. Man könnte auch sagen sie hatte ein starkes Ego. Als Mensch war sie eine Herausforderung für ihre Umwelt und liebte es mit provozierenden Sprüchen, ihre Mitmenschen zu konfrontieren. Sie hatte ihren eigenen Humor, der oft auf Kosten anderer ging. Sie war leider nie bereit, Erkenntnisse über sich selber umzusetzen, vor allem war sie nie bereit ihrer Mutter zu verzeihen.
In den ersten Tagen, als sie im Altersheim war, gab sie uns Söhnen die Schuld, dass sie jetzt keine Wohnung mehr hatte und viele ihrer schönen Sachen weggeben musste. Ihr Anhaften an allem Materiellen war stark. Sie war für mich eine gute Lehrerin –in allem, wie man es nicht machen soll. Der Grund, warum sie ins Altersheim gehen musste war ihre grosse Vergesslichkeit. Was man ihr kurz vorher erzählte, war gleich wieder vergessen. Auch ihre Augen wurden immer schlechter, so dass sie fast nichts mehr sah.
Dass sie so vergesslich wurde, war im ersten Moment anstrengend, vor allem für uns Angehörigen, das wurde mit der Zeit zum Glück, denn sie vergass mit der Zeit sogar alles Böse aus der Vergangenheit und sie war gezwungen immer im Augenblick zu leben. Sie lebte ganz im Hier und Jetzt, gezwungener massen, denn etwas anderes war gar nicht mehr möglich. Mit der Zeit wurde sie eine richtig liebe Person, denn alle ihre Boshaftigkeit verfiel mehr und mehr. Mit der Zeit hatte sie gar keine Kraft mehr, ihre eigenwillige Persönlichkeit, ihr Ego aufrecht zu erhalten. Sie, die ein Leben lang immer meinte, sie müsse immer nur kämpfen, wurde am Ende ihres Lebens gezwungen loszulassen. Wie eine Kerze, die keinen Sauerstoff mehr bekommt, erlöschte sie und schlief friedlich ein.
Wiederum ist meine Mutter für mich eine grosse Lehrerin, denn auch ich muss lernen, nicht immer alles so wichtig zu nehmen und das Leben etwas gelassener an zu gehen. Für mich war das eine Erfahrung, zu sehen wie viel Kraft wir alle brauchen, um unsere Maske, so wie wir gerne gesehen würden, aufrecht zu halten und wie viel Kraft es wiederum braucht um loszulassen. Wenn ich das Hinweg gehen meiner Mutter so betrachte, wird mir bewusst, dass auch ich eines Tages diesen Weg gehen muss und werde.
Wenn du die Menschen und Dinge,
die um dich sind, eingehend betrachtest,
so erkennst du, wie alles dauernd im Fluss ist.
Alles lehrt dich, wie unbeständig die Dinge sind.
12.05.2010 Text von zentao